Pogradec — Voskopoje
Nach dem leckeren Naturfrühstück verlassen wir das Lake-Park und den Ohridsee. Entlang der Uferstraße kommen wir ins nah gelegene Pogradec — die größte Stadt auf der albanischen Seite des Ohrid. Mit 20 Tausend Einwohnern eher eine Kleinstadt — aber in der Saison voller Touristen.

Auch heute noch macht der Albaner Urlaub im eigenen Land — nicht viele können sich einen Auslandsurlaub leisten. Wir behaupten, die Meisten kennen sowas wie Urlaub gar nicht. Pogradec versprüht den Charme einer stalinistischen Kleinstadt getrieben vom osmanischen Treiben. Wie überall im Land gibt es mehr Cafés als Bewohner 🙂 und in jeder kleinen Abstellkammer wir irgendetwas verkauft. Alles bunt und quirlig. Auf städtisches Gewühl haben wir keine Lust und so biegen wir auf der SH101 ins Land ab. Unser Ziel — das kleine Dorf Shipskë gelegen auf einer Bergseite, ca. 1 400 m ü.d.M., 25 km südöstlich der Stadt Korçë. Um Shipske zu erreichen muss man den Ort Voskopoje passieren. Heute ein verschlafenes Nest — war es einst ein bedeutendes Zentrum beider Religionen sowie der Wissenschaft und Kultur. In der Blütezeit gab es hier 26 Kirchen — heute bestehen noch fünf davon. In der Stadt wurde 1720 eine der ersten Druckereien des Balkans eingerichtet. 1744 wurde mit der Neuen Akademie, die einzige christliche Hochschule im Osmanischen Reich begründet. 1770 ist in Voskopoja das erste Wörterbuch vier moderner Balkan-Sprachen (Griechisch, Albanisch, Aromunisch und Bulgarisch) erschienen. Das im 18. Jahrhundert gegründetes Waisenhaus Orphanodioiketerion war vielleicht das erste in der post-byzantinischen orthodoxen Welt. All das ist aber lang her.
Shipske — Kishae Shen Gjergjit
Bis Voskopoje führt noch eine, ihren Namen verdienende, STRAßE. Ab da beginnt unser Albanien-Abenteuer. Nach Shipske, auf 1250 m ü.d. M. führt steil bergauf, ein hügeliger und gelöcherter Weg, endlose Kurven, Abzweige und ein antikes Viadukt.
.
Wir entdecken einen gewaltigen in den Fels gearbeiteten Bunker den der Rabe untersuchen muss. Allein die Tür aus 15cm massiven Stahls musste von mehreren Männern betätigt werden.

Es sind aus der Bierstadt Korce “nur” 25 Kilometer dahin — dennoch brauchen wir fast 90 Minuten bis zur Kishae Shen Gjergjit. Die Kirche des heiligen Georg auf 1300 m. ü. d. M. ist wohl die schönste in ganz Albanien.
Wie es sich rausstellt — war sie es einmal … die Schönste im ganzen Land. Nach einer 1996 verübten wandalischen Tat dreier Jugendlicher, von islamischen Extremisten angeleitet, auf die nahgelegene Kirche des heiligen Michael — bei der Fresken aus dem 16. Jh. Zerstört worden sind, wurden die kostbaren Fresken der Kirche des Heiligen Georg nach Tirana überführt. Nur einige sind in den Mauern Nder Kirche geblieben. Leider passierte es viel zu spät. Noch zwei Mal wurde in das einzigartige Gotteshaus eingebrochen und unter anderem 2009 das Kreuz des Drachen, welches einen unschätzbaren Wert hat, gestohlen. (Bild darunter)

So haben wir das Gotteshaus erlebt

.

.

… und so sah es noch vor 2–3 Jahren drin aus

.

Schade .… immer noch ein atemberaubender Anblick aber leider nur noch ein Teil der ursprünglichen Schönheit. Wir sind trotzdem tief beeindruckt.
Dardhe — “The Village”
Wir verlassen Shipske auf demselben Pfad auf dem wir gekommen sind, queren die SH101 und “klettern” erneut in fast Schrittgeschwindigkeit die Serpentinen zu dem auf 1300 m gelegenem Dardhë hinauf. Ein verschlafenes, einsames, in mitten von Bergen gelegenes Dorf. Ein Regenbogen einzigartig bunt begrüßt uns am Ortseingang — viele weitere bilden sich weiter binnen der nächsten Stunde. Darunter einer mit mehr Farben als wir je in einem Regenbogen gesehen haben — magisch.

Die Fahrt schon wird zu Abenteuer. “Geblendet” von Googlë Mëps passieren wir die die Dorfmitte ohne sie erkannt zu haben “klettern” mit unserem weißen Fabia weiter abwärts — nur noch über Steinbrocken bis eine Schlamm-Kuhle uns an die Festfahr-Erfahrung im Riesengebirge erinnert. Zum Glück kann der Rabe, einige Meter weiter oben, wieder wenden und nach einigen deftigen Schlägen gegen den Unterboden und einer Rutschpartie haben wir wieder mittelalterliches Pflaster unter den Reifen.
Des Raben’s Laune sinkt mit jeder Quadrans (für Nichtlateiner — Viertelstunde) als das Schicksal uns die Taverna Iliri offeriert. Ein Steinhaus wie überall im Dorf aber an einem Reklameschild und Tischen außen, als Schenke erkennbar. Wir betreten das Lokal, werden neugierig von Dorfbewohnern beäugt, grüßen auf Albanisch und fragen auf Englisch ob wir draußen sitzen dürfen. Es ist unser dritter Tag in Albanien — noch “trauen” wir uns nicht, einfach so in die Gemeinschaft zu “platzen” .… es wird bald besser:)

Wir bestellen weiße, gebratene Riesenbohnen, Meetballs, Salat, Kebab und natürlich Korca Beer, alles zusammen 10 €. Der Chef spricht etwas Englisch — wir scherzen gegenseitig, der Rabe verschenkt ein Zigarillo — trotz steinerner Miene wirkt der Mann sympathisch. Während des Essens erliegen wir dem Zauber dieses Dorfes.

.

Wie in “The Village” scheinen die steinernen Gebäude allesamt verlassen zu sein. Ein einziger alter Mann spaziert bereits das zigste Mal an uns vorbei (er half uns kurz vorher eine Steintreppe mit dem Auto zu überwinden), ein Anderer, jüngerer Mann fragt uns schon ausserhalb des Dorfes nach der Uhrzeit und läuft, wie ferngelenkt, ohne eine Miene zu verziehen, weiter. Ein weiterer Regenbogen scheint uns sagen zu wollen “bleibt, bleibt hier”.
Nach kurzem “Kriegsrat” beschließen wir über Nacht hier zu bleiben.

Der Besitzer zeigt uns unser Apartment, zwei große Zimmer, Platz zu Schlafen für 6 Personen, Küche, Bad, eine große Terrasse … was will man mehr — und das alles für 3000 Lek ~21 €. Wir werden immer tiefer in den Bann dieses Ortes gezogen. Ein Spaziergang durch die engen, steilen Gässchen vertieft dieses seltsame Empfinden von Wohlfühl und Urgemütlichkeit. Nichts desto trotz, sind wir müde. Noch ein paar Grüße in die Heimat, seit Frankfurt haben wir zum ersten Mal wieder Internet, und wir fallen in die Betten. Vorher kosten wir aber noch den im Ort gebrauten Apple-Raki — ein Muß in Darhe. Hier heiß übrigens jeder Schnapps Raki — aber der aus Dardhe schmeckt wirklich lecker. Wir liegen lange wach unter den Eindrücken dieser Natur, des Ortes und seiner Menschen. Schließlich betreten wir die Grenze vom Traumland ins Traumland und schlafen fest bis zum nächsten Morgen.
Wir haben uns in Dardhe verliebt!
Geweckt werden wir von Geräuschen in der Gaststube unter uns. Ein Feuer wird angeschürt, Stühle etwas gerückt, Geschirr klappert, scheinbar der einzige Fernseher im Ort beweist mit leiser Musik seine Nützlichkeit.

Wir begeben uns von Neugierde getrieben in den Gastraum. Es wird aufgetafelt … und erklärt .. wir haben einen Weg zu kommunizieren gefunden. Googletranslater machts möglich. Wir bekommen also Ziegenkäse, einen Gemüsesaft der im Ort gebraut wird, selbst gebackenes Weisbrot, Tomaten, Gurken, Eier und Gliko … in Gelee eingelegte wilde Feigen … leeeeecker.

Auch wir haben Tausend Fragen. Wir stoßen auf Du an und erfahren vom Ardi, dem Besitzer, alles was wir nur wissen möchten. Ardi ist ein Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft und von Bayern München. Ardi ist auch ein eingefleischter HardRock-Fan — da klappt die Verständigung mit dem Raben gleich nochmal so gut. Er spielt uns AC/DC, Alice Cooper, Whitesnake und nachdem wir ihm unser Foto mit den Scorpions zeigen, auch deren Werke:) Ardi erzählt uns, dass es zwar viele Häuser in Dardhe gibt aber, außer in der Saison, nur etwa 20 Menschen in dem Dorf leben .. und die Meisten treffen sich irgendwann am Tag hier in seinem Restaurant. Ardi ist so glücklich, dass er sogar seinen Freund in der Nähe von Hamburg anruft — Peter, so heißt er, spricht perfekt Albanisch und Deutsch, wir unterhalten uns eine Weile. Andere Gäste — Dorfbewohner lächeln uns zu. Wir können die Herzlichkeit und Ehrlichkeit dieser Menschen spüren. Ardi zeigt uns stolz Fotos mit seinem Freund Daniel Godelli — einem in Amerika lebenden, albanischen Weltmeister im Gewichtheben. Dieser kommt regelmäßig nach Dardhe um in Ruhe zu trainieren. Auch der Österreichische Botschafter war schon mal beim Ardi. Wir müssen auch dringend die frische Ziegenmilch kosten — direkt vom Ofen. Aus Höflichkeit kosten wir und .…. werden absolut umgehauen. D A S ist Milch. In keinster Weise erinnert sie an das 3%ige weiße (angeblich Kuh) Wasser aus der deutschen Kaufhalle. Schmackhaft, leicht süß gleitet sie unsere Kehlen nebst dem Raki, den Ardi zu Amstoßen gebracht hat, runter. Eine kleine Freundschaft spriest grade aus den deutsch-schlesisch-albanischen Herzen. Wir wollen fast nicht weg aus diesem zauberhaften Ort.
Aber wir müssen — wir wollen doch noch so viel sehen … noch viele nette, offene, neugierige Menschen kennenlernen.
Ardi, es war herrlich in Dardhe, es war wunderschön bei Dir.
Wir kommen irgendwann bestimmt wieder — versprochen!!!
Übrigens — Dein Geschenk schmeckt lecker — danke Ardi:)