Ein bunter Vogel wird 50 — Zeit für ein Resümee
Fünf Dekaden oder, klingt gewaltiger, ein halbes Jahrhundert gibt’s den Raben bereits auf diesem Planeten. Für einen selbst eigentlich kein Grund zum feiern. Wir feiern und genießen jeden Tag … warum also diesen besonders. Wenn der Jubilar wenigstens von seinen Liebsten überrascht werden würde … mit einem Ständchen, lieben Worten, einer Einladung oder einer kleinen Überraschungsfeier … wie man es in (ausländischen) Filmen sieht.
Obige PUR-Ode ans Älterwerden haben wir eine Zeit lang als Ständchen unseren Freunden und Familie zu Geburtstagen geschickt. Ich denke die meisten haben sich über den bunten Hut mit Kerzen und die zwei Hofnarren amüsiert, wenn sie es nicht gar peinlich fanden. Über den Text hat sich wahrscheinlich niemand Gedanken gemacht … hier ein Versuch:)
Es ist noch nicht lange her da
“Ich seh mich noch suchen meinen Platz in der Welt”.
Oft der Exot, manchmal hinterrücks belächelt, meist unverstanden. Oft angepasst, manchmal unterdrückt, meist unglücklich. Schon in der Schule fiel ich aus der Reihe … bestimmt nicht durch dämlichen Schabernack oder Kraftmeierei. In der Pubertät erste Revolte … gegen die Mutter. Dann erste Flucht … in Unabhängigkeit und freieres Denken. Erste Ausbrüche … Absonderung durch (Kleidungs- und Musik) Still. Nur nicht zur grauen Masse gehören.
Bald darauf wieder gefangen … in Uniform und Erzeugererwartungen. In der Jugend festigt sich das Rebellenherz und der Gerechtigkeitssinn.
“Dann meine Runden auf dem Mofa gedreht
Erster Kuß, erste Krise
wie schnell die Zeit vergeht”
Die längste und teuerste Lektion auf der Schulbank des Lebens folgt alsbald — Allwissenheit ersetzt keine Erfahrung … und wieder im (Haus)Arrest der gesellschaftlichen Zwänge. Aber Selbstbewusstsein und Widerstand wachsen bis die Anpassungsfähigkeit zerbricht. Ich will nicht jammern. Es waren …
“Viele 1000 Momente in die Zeit gerafft
Ich wünsch mir noch mehr davon, mehr noch
Hab besser kapiert, was mich glücklich macht
Was mich echt nicht kümmern muß”
Und dann “Freunde” — die Meisten mit Vorstellungen und Erwartungen … persönlichen, moralischen. Wieder Anpassung sonst Unverständnis. Der Druck wird unerträglich. Anerkennung und Bestätigung nur durch materielle Zugehörigkeit und folgsames Gruppengefühl. Die letzte Bastion fällt.
“Ich sah viele kommen
ich sah viele geh´n
Sah viele umfallen,
Ich blieb meistens steh’n”
Logische Konsequenz … Ausbruch um jeden Preis. Ein Neuanfang, die Wende … diesmal mit viel mehr Erfahrung .. die Weisheit über Bord geworfen. Das Gefühl zählt … die Liebe und nicht Vernunft. Gut ist was sich gut anfühlt … dafür lohnt es sich zu schuften … nicht für (binnen Sekunden) wertlose Zahlen.
Und dann noch ein Quäntchen Glück. Da muss der Rabe fast einen Zentner Jahre auf seinem Tacho haben, bis er seinen Platz in der Welt gefunden hat, und zwar neben seiner Eule. Heute spielen Anpassung, Unterordnung, fremde Erwartungen oder irgendwelche Zwänge, keine Rolle mehr.
“Wir feiern jede neue Falte, die nötig war
jedes allzufrüh ausgefallene Haar
Wir feiern jeden guten Vorsatz; ein hübscher Brauch
Und jeden guten Ansatz, ob Glatze, ob Bauch
Auch an den allerschönsten Körpern nagt
Der Weisheitszahn der Zeit
Für wahr — die Jugend ist vergänglich, das Alter wächst
Und das zu feiern, ist der schönste Zeitvertreib”
Das Vogelparlament hat über Monate immer wieder getagt … bis sich der Wald gelichtet hat. Am heutigen Tag hätten ganz viele bunte Vögel für Überraschungen sorgen können … aber sie sind nicht bunt. Manche nicht mehr, manche waren es nie. Jedenfalls
“All die, die mich mögen haben an mich gedacht” und einige wenige haben die weite Anreise in unser “gelobtes” Land auf sich genommen und verbrachten mit uns ein wunderschönes Weekend.
Ihre Majestät, die Eulenkönigin, litt in der freitäglichen Bergluft etwas unter Vergesslichkeit. Völlig desillusioniert und überrascht konstatierte sie die niedrigen Temperaturen in einem auf 800m gelegenem Bergort im Herbst mit -“ich hab keine Schuhe”. Der Rabe nutzte die Fortdauer eulscher Irritation und genoß mit all seinen Sinnen, ihre Annahme — es wäre bereits der Tag des Rabenschlupfs angebrochen.;)))
Wegen dieses in den Bergen völlig UNERWARTETEN Herbstwetters, fiel die geplante Schneekoppenbesteigung aus. Schade, genau am 15. September vor 227 Jahren, eroberte unser Dichterfürst, J.W. Goethe, die Schneekoppe … ob er wohl warme Schuhe hatte?;))) Wir haben den Tag trotzdem nett verbracht. Gegen Abend stießen ganz besonders liebe Seelen zu uns. Leckeres Essen, unter anderem wie Schnitzel zubereitete Drachenpilze, und Gespräche bis in die Nacht sorgten für das schwinden der ersten BSE-Symptome bei der Eulentät. Am Jubiläums-tag erinnerte sie sich wohl an sportliche Höchstleistungen vom vergangenen Morgen — schade leider kein Alzheimer — somit keine Wiederholung;))))
Alles was Wochenlang hinter Raben’s Rücken gemauschelt wurde ergab plötzlich einen perfekten Sinn. Ich wurde überrascht, und das mehrmals. Mit einem choralen Ständchen, mit einem sehr liebevoll geschmückten Tisch im Jagdsalon des Hotels und mit Geschenken. Ein Geschenk aus der sächsischen Hauptstadt hat in der Erstellung sicher Stunden verschlungen — von dem Gedanken jemandem eine emotionale Freude zu machen, ganz abgesehen. Daaaanke Euch.
Gefeiert wurde der Reihe nach im “U ducha gór” (der Präsidenten Gaststätte), in der Bar des berühmten Hotels Gołębiewski und im Nachtclub des selbigen. Wir tanzten bis spät in die Nacht … von Zwängen, Vorstellungen und Erwartungen befreit. Übrigens haben wir schon mal mit der Polonisierung von Deutschen Staatsbürgern begonnen. Herr S aus D wurde einstimmig zum Deutsch-Polnischen interkulturellen Höflichkeits-Beuftragten gewählt. Nach entsprechender Ankündigung dem Servicepersonal gegenüber durfte er in jeder Location laut, deutlich und besonders feierlich “dziekujemy” — wir danken — sagen (prima gelernt, prima Aussprache;). Freudige Gesichter und Jubelstürme waren sein Dank:)
Allen ein ganz großes D A N K E — Ihr seid die Besten.
Eigentlich hätte auch ein anderer PUR-Songtext als Leitfaden für diesen, meinen ganz persönlichen und besonderen Beitrag herhalten können.
“Wo sind all die Indianer hin
wann verlor das große Ziel den Sinn
Dieses alte Bild aus der Kinderzeit
zeigt alle Brüder vom Stamm der Gerechtigkeit
Wir waren bunt bemalt und mit wildem Schrei
stand jeder stolze Krieger den schwachen bei
Unser Ehrenwort war heilig
nur ein Bleichgesicht betrog
und es waren gute Jahre
bis der erste sich belog
Wo sind all die Indianer hin
wann verlor das große Ziel den Sinn
So wie Chingachgook für das Guten stehn
als letzter Mohikaner unter Geiern nach dem Rechten sehn
Der „Kleine Büffel“ spielt heute Boß
er zog mit Papi´s Firma das große Los
„Geschmeidige Natter“ sortiert die Post
und in seiner Freizeit sagt er meistens „Prost“
Und die Friedenspfeife baumelt über´m Videogerät
wieviel Träume dürfen platzen
ohne daß man sich verrät
Wo sind all die Indianer hin
wann verlor das große Ziel den Sinn
So wie Chingachgook für das Guten stehn
als letzter Mohikaner unter Geiern nach dem Rechten sehn
Es gib noch ein paar wenige vom Stamme der Schoschonen
die finden sich, erkennen sich am Blick
und deren gute Taten kann man nur durch Freundschaft belohnen sie nehmen ein Versprechen nie zurück”
Danke mein geliebtes Indianer-Eulchen, dass Du mich so liebst wie ich bin. Nawzajem.