Wie so oft ist der Weg das Ziel. Das Wetter ist perfekt, die Landschaft will uns ihre ganze Pracht darbieten. Wir sind dankbar — fahren gemächlich — halten oft an — machen Fotos. Ob Pferde, Kühe, Schafe oder Storche — sie alle samt scheinen keinen Straß und keine Hektik zu kennen. Zwei junge Mädchen, die eine Schafsherde hüten, spielen zwar auf ihren Handys, aber auch sie strahlen Gelassenheit aus. Ihr Blick ist mehr bei den Tieren als auf dem Display.
Nach etwa einer Stunde passieren wir Huedin. Die Orte in diesem Landstrich glänzen nicht unbedingt mit Schönheit. Nicht so Huedin. Unübersehbar schmücken links und rechts gewaltige Protzvillen die Strada Horea — die Hauptstrasse, die durch den Ort führt. Riesige Bauten mit mehreren Etagen und Dächern voller Türmchen verziert wie die am Kreml (nicht ganz so bunt). Es sind Zigeuner-Paläste. Darf man noch Zigeuner sagen? Dann eben Roma-Paläste. Kitschig und exotisch zugleich — definitiv ein Hingucker in diesem, eher armen Landstrich.
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CHEILE TURZII — THORENBURGER SCHLUCHT
Etwas über eine Stunde später sehen wir schon aus der Ferne imposante Felsformationen. Cheile Turzii — wollen wir heute bewandern.
Die von UNESCO geschützte Thorenburger Schlucht liegt in einem über 300 Hektar großen Naturschutzgebiet das gleichzeitig auch ein Blumenschutzgebiet ist und mit größter Wahrscheinlichkeit zu den schönsten und eindrucksvollen Schluchten in Rumänien zählt. Das Reservat beschützt über 1000 Tier- und Pflanzenarten.
Schon die Anfahrt wird in vielen Reiseblogs als problematisch beschrieben — und das nicht ganz zu unrecht. Zu sehen ist das Naturmonument von Weitem — aber die Zufahrt finden wir nur mit etwas Glück.
Wir lassen Cluj Napoca, die zweitgrößte Stadt Rumäniens (sprichwörtlich und tatsächlich) links liegen und biegen, vom Westen kommend, schon bei Gilau auf die 107M, eine kleine Landstraße, die sich stellenweise parallel zu der Transsylvanien Autobahn windet. Für Alle die uns folgen wollen — 46.570916, 23.667400 das sind die GPS Koordinaten eines kleinen Parkplatzes am westlichen Ende der Schlucht. Hier ist auch ein kleines Restaurant das sich über jeden Gast freut.
Wir haben gelesen, dass eine Familie mit kleinen Kindern in rund zwei Stunden die Klamm am Fluss entlang durchwandert hat und über die Felsen wieder zurück gelaufen ist. Wir kalkulieren vorsichtig drei Stunden ein — es werden schlussendlich über vier (ok. mit einem Bierchen am östlichen Ende). Die Eulenkönigin ist, wie jede Königin, wenig einsichtig. Im speziellen Fall betrifft es Wanderschuhwerk und Kopfbedeckung — immerhin prasselt die Clara mit knapp 30 Grad Celsius auf unsere Häupter. Eine Königin hat schick zu sein und das in jeder Lage — heißt auch im Kenianischen Dschungel, auf dem Mount Everest und in der Cheile Turzi.
Einem Rabenprinzen, wie übrigens jedem anderen Prinzen ebenfalls, schickt es sich nicht eine Königin zu belehren … haben schon andere probiert und sind kläglich gescheitert. Eine Königin lernt ausschließlich aus eigenen Erfahrungen:)))
Wir trappeln also los. Anfangs ist es easy. Relativ gut befestigte Pfade, viel Schatten … immerhin steigen links und rechts von uns Kalksteinfelsen bis zu 300 Meter empor. Einige Hängebrücken queren hier und den Fluss Hasdate. Teilweise hangeln wir uns an Seilen, die an den Felsen befestigt sind. Wir können nicht anders als immer wieder anhalten und mit offenem Mund die atemberaubende Schönheit der Schlucht zu Bewundern. Nach nahezu jeder Biegung tut sich ein neues traumhaftes Panorama auf. Der Rabenprinz Fotografiert was das Zeuch hält.
Schon die ersten knapp drei Kilometer durch die Schlucht sind eine Augenweide und beanspruchen ein guuuuute einandhalbe Stunde. Wie es die Familie mit Kindern (hin und obenrum zurück) in zwei geschafft hat ist uns ein Rätsel. Am östlichen Ende der Schlucht ist ein großer Parkplatz, einige Kioske und ein Kneipchen. Ein halber Liter gezapften Ursus (rum. Biersorte) verdampft in Rabens Kehle. Die Königin, die hier bereits mächtig schwitzt, kühlt die ihre mit Eis am Stiel und Limonade.

Anstatt gemächlich in Serpentinen, klettern wir fast senkrecht und sehr steil etwa eine Stunde durch den Wald. Oben angekommen hört der Wald zwar auf aber der Aufstieg ist noch nicht zu ende. Weitere halbe Stunde kraxeln wir zwar nicht mehr so steil aber in sengender Hitze weiter bergauf. Die Königin bereut bereits im Waldabschnitt kein Wanderfußwerk an zu haben. Nicht ganz ungefährliche Rutschpartien erleben wir einige. Oben brennt sich die Sonne durch unsere Haare. Der Rabe erträgt die Hitze mit Fassung um der Eule keine Munition zu liefern. Der Königin scheint aber kurz vor dem Kollaps zu sein.
Die zwei einzigen Buschgruppen nutzt sie um sich auszuruhen. Das präsuizide Geschimpfe wollen wir hier nicht zittieren. Erst mit unserem kleinen Rucksack auf dem Kopf — kühlt das Eulsche Hirn ab. Der folgende Abstieg steigert ebenfalls die Stimmung. Einen eindeutigen Weg sieht man hier zwar nicht aber hin und wieder blitzt etwas rote Farbe auf einem Stein — das ist die Wandermarkierung.
So steil wie wir aufgestiegen sind steigen wir jetzt ab. Die Markierung verlieren wir unterwegs und kämpfen uns durch Geäst, über Steine und Felsbrocken. Endlich sehen wir in weeeeeeiiiiter:) Ferne unseren Dacia, auf dem Schotterplatz stehen. Vermutlich noch etwa ein Kilometer bergab. Auch diese schaffen wir heldenhaft obwohl wir so eine Neigung noch nie abgestiegen sind. Wieder vermisst die Königin insgeheim geländegängiges Schuhwerk — schwört aber lautstark wie toll man mit Turnschuhen wandern kann.
Unten angekommen sind wir beide megastolz. Diese Leistung, bei dieser Hitze in etwas über vier Stunden — Topp. Die Familie mit Kindern nominieren wir blind, ohne Qualifikation, für den Rennsteiglauf. Wir haben die Ausblicke und Panoramen unterwegs aufgesaugt wie eine Horde Trampeltiere Wasser nach einer Wüstendurchquerung. Ein überragendes Erlebnis diese Cheile Turzii — aber man sollte sich Zeit nehmen und genießen. Wir haben Insekten, Schmetterlinge und Vögel gesehen, die wir nie zuvor gesehen haben. Pflanzen die man bei uns nie zu Gesicht bekommt und Felsbilder die weit ihres Gleichen suchen..
Von weiteren Aktivitäten nehmen wir am heutigen Tag dann Abstand. Jetzt muss Belohnung her. Ein TripAdvisor Tipp lenkt uns in das beste Restaurant in Turda, wo wir heute nächtigen werden, das Sarea‑n Bucate. Es liegt fast direkt am Salzbergwerk — das ist morgen auf dem Programm. Haxe’n mit Bohnen, anscheinend typisch rumänisch, bringen den (von polnischer Küche) verwöhnten Raben allerdings nicht in Wallung. Aber das Restaurant ist trotzdem empfehlenswert.
Danach wollen wir nur noch die Beine Ausstrecken. Knappe 900 Meter vom Restaurant, talabwärts liegt unsere Pension — Casa Gherman. Zwei kühle Ursus aus der Büchse auf dem Balkon, kühlen uns wieder auf erträgliche, mitteleuropäische Temperaturen ab. Eulchen muss noch eine Flickstunde einlegen — zwar nicht die Schuhe aber die Hosen haben etwas gelitten. Danach sind wir einfach nur noch glücklich ob des Gesehenen und des Erlebten. Wir schlafen göttlich.
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